Die Käfer (Coleoptera) des Naturschutzgebietes Latumer Bruch / Lohbruch
- Germany, NRW, Krefeld-Linn -
von Peter E. Stüben*
*Arbeitskreis Linner Entomologen (ALE), Hauweg 62, 41066 Mönchengladbach, E-Mail: P.Stueben@t-online.de; WEB: www.peterstueben.com
Suggested citation: Stüben, P.E. (2025 …): Die Käfer (Coleoptera) des Naturschutzgebietes Latumer Bruch / Lohbruch (Germany, NRW, Krefeld-Linn).
– Cataloques: www.peterstueben.com, Germany: Mönchengladbach.
Wer kennt sie überhaupt?
Entstanden sind die Feuchtgebiete der Bruchlandschaft in Linn/Latum in den zwei Altstromrinnen des Rheins. Noch heute füllen sich vor allem in regenreichen Jahren diese Senken mit Grundwasser, in denen sich die extrem selten gewordenen Kammmolche & Co, geschützte Amphibienarten, tummeln. Auch der Dunkle Wiesenknopf-Ameisen-Bläuling ist im Latumer Bruch noch heimisch, ein längst auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohter Schmetterling.
Fig. 1. NSG Latumer Bruch, 1982 unter Naturschutz gestellt (188,35 ha).
Weitaus unbekannter jedoch ist die Käfer-Fauna des Bruchs. Neben den Studien des Entomologischen Vereins zu Krefeld, die sich inzwischen nicht nur mit dem Rückgang der Insekten-Welt im Raum Krefeld beschäftigen, blieben diese sich in und an Pflanzen sowie im bodennahen Raum aufhaltenden "gepanzerten Ritter" bisher weitgehend unbeachtet. Zumindest noch in meiner Jugend der 60er und 70er Jahre konnte ich dort den beeindruckenden Moschusbock (Aromia moschata), dessen Larven sich u.a. in den Kopfweiden der Auwälder und Erlenbrüche entwickeln, nachweisen. Selten war er dort nicht. Und so dürfte es vielen Käfern ergangen sein, die heute die Rote Listen als stark gefährdete oder bereits in einer Region ausgestorbene Arten füllen. Genaues wissen wir aus dem landesweit bekannten NSG des Latumer Bruchs aber erst dann, wenn wir dort selber intensiver nachgeschaut haben.
So war die Überraschung groß als ich gleich bei einer ersten Begehung noch im Winter 2024/2025 in einer Siebung des Detritus den Hainbuchen-Spitzmausrüssler nachweisen konnte. Die gerade einmal 2,5 mm große, dicht behaarte, bronzeschimmernde Apioninae Trichopterapion holosericeum war bisher nur bekannt aus dem südöstlichen Mitteleuropa, Italien und Südfrankreich mit dem nördlichsten, sehr seltenen Vorkommen in Bayern und Südbaden.
Fig. 2. Der Hainbuchen-Spitzmausrüssler: Erstnachweis für das Rheinland aus dem NSG Latumer Bruch. Der kleine Rüsselkäfer befällt die Samen von Carpinus betulus (Hainbuche).
Das macht neugierig, und so wurde Anfang 2025 der 'Arbeitskreis Linner Entomologen' (ALE) über Nacht gegründet, die Zusammenarbeit mit dem in Mönchengladbach sesshaften Curculio-Institut (www.curci.de) eingeleitet und mit dem bekannten Entomologische Verein Krefeld (http://www.entomologica.de) die wichtigsten Voraussetzungen geschaffen, um mit der Bestandsaufnahme der Käferfauna im Naturschutzgebiet Latumer Bruch vor den Toren Linns, meinem Heimatort, zu beginnen.
Aber welchen Weg wollten wir einschlagen? Was sollten die Ziele sein? In der Vergangenheit wurde im Latumer Bruch vor allem mit Malaise-Fallen1 gearbeitet und vom Entomologischen Verein Krefeld über alle Insektengruppen hinweg erste wertvolle Biodiversitätsstudien auf molekularer Grundlage angefertigt, aber keine konkreten Faunenlisten für die Käfer im Latumer Bruch bisher vorgestellt. Vorrangiges Ziel ist dabei in erster Linie die bildtechnische Erfassung der ca. 600 - 700 zu erwartenden Arten. Nur in Einzelfällen werden dabei Käfer, die schwer zu bestimmen sind, in eine Beleg-Sammlung für die Nachwelt überführt. Ein Mammutprojekt, dem wir uns mit einigen Mitstreitern des Arbeitskreises Linner Entomologen in den nächsten Jahren mit dem Käfersieb, dem Klopfschirm und dem Kescher stellen wollen. Mit der abschließenden Fertigstellung einer photographischen übersicht über alle Käfer, die in diesen Katalog zeitnah und kontinuierlich einfließen sollen, können dann nicht nur erfahrende Spezialisten, sondern vor allem interessierte Bürger und Naturschützer zukünftig ihre Nachweise abgleichen (Citizen Science). Auf dieser sicheren Basis lassen sich dann z.B. auch Schlüsse aus dem Wandel der Umwelt des Latumer Bruch / Lohbruch für die Käferfauna in den nächsten Jahrzehnten ziehen. Ein begrenztes lokales Projekt, dass, wenn alles klappt, zur Blaupause für ähnlich engagierte Bürgerprojekte vor Ort und im ganzen Land werden könnte.
Fig 3. Ohne Wirtspflanze nichts los! Die komplette Entwicklung des winzigen Johanniskraut-Spitzmausrüsslers (Pseudoperapion brevirostre) vollzieht sich in den Blüten und Fruchtkapseln von Hypericum, dem Johanniskraut, u.a. einer bekannten Heilpflanze. Das wäre auch mal eine (un-)eigennützige Idee für "Garten und Balkon"!
In enger Kooperation mit dem CURCULIO Institut wird ein weiteres Ziel der Schutz phytophager Insekten, wie z.B. der Blatt- und Rüsselkäfer sowie ihrer Wirtspflanzen, sein – denn wo die Wirtspflanze, die Fraß- und Entwicklungspflanze fehlt, fehlt auch der gerade erst entdeckte Hainbuchen-Spitzmausrüssler.
Ob wir darüber hinaus die Zeit, Muse und Kraft finden in regelmäßigen Abständen Vorträge und Arbeitssitzungen im der "Weißen Schule" zu Linn - zunächst zwanglos - stattfinden zu lassen, muss der Anzahl und Bereitschaft der Mitstreiter überlassen bleiben. So sind solche kleinen Informationsveranstaltungen zur extremen Makrophotographie, zur käferfreundlichen Wirtspflanzen-Ausstattung von Gärten und Balkons oder zu entomologischen Reisen in ferne Länder, um nur einige Beispiele zu nennen, geplant. Wir werden alle Interessenten (z.B. über die 'Linner Bürgerpost') auf dem Laufenden halten. Mein großer Dank gilt an dieser Stelle aber nicht nur den genannten Unterstützern im Entomologischen Verein Krefeld und dem europaweit arbeitenden Curculio Institute in Mönchengladbach, sondern auch dem Oberbürgermeister (FB Umwelt & Verbraucherschutz) der Stadt Krefeld für die Ermöglichung der Fortführung von Kartierungsarbeiten der regionalen Insektenfauna im Krefelder Stadtgebiet. Daß dies im Latumer Bruch ehrenamtlich geschieht, ist - wie die regelmäßig Publikation der Forschungsergebnisse - eine Selbstverständlichkeit. So steht auch unsere Arbeit im 'Arbeitskreis Linner Entomologen' ganz unter dem bekannten Motto: "Wir können erfolgreich nur das schützen, was wir kennen!"
Peter E. Stüben.
für den 'Arbeitskreis Linner Entomologen' (ALE)
1Malaise-Fallen sind große Zeltfallen zum Fang fliegender Insekten. Gelangen diese in den dunkleren, unteren Teil des offenen Zeltes, streben sie dem helleren, oberen Teil entgegen, wo sie am Gipfelpunkt in ein Gefäß mit einer hochprozentigen Alkohol-Lösung fallen und dort gleich auch für molekulare Untersuchungen konserviert werden.
